Wie auch immer man die Zeit der Narren und Jecken nennt, die fünfte Jahreszeit muss dieses Jahr in der bekannten Form coronabedingt leider ausfallen. Diese und nächste Woche wäre es soweit gewesen, stattdessen wird vielerorts online gefeiert – ein Fest, bei dem sich alle irgendwie (wortwörtlich) nahekommen auf Distanz also. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie die Hochburgen feiern.
Karneval im Rheinland rund um Köln und Düsseldorf und im Ruhrpott
Karneval dauert nicht nur ein paar Tage vor der Fastenzeit. Bereits am 11.11. um 11:11 Uhr beginnt die Saison, und schon das wird unterschiedlich gefeiert: während in Köln das Kölner Dreigestirn (Prinz, Bauer und Jungfrau) vorgestellt wird, erwacht in Düsseldorf etwa der „Hoppeditz“. Die meisten zieht es jedoch am Rosenmontag auf die Straße. Aber der Reihe nach. Wer sich im Karneval etwas auskennt, der weiß, dass es auch Tage vor dem Rosenmontag schon Grund zum Feiern gibt. Vor allem für die Frauen ist der Donnerstag vorher ein Highlight: die Weiberfastnacht. Um Rhein und Ruhr müssen die Männer am Arbeitsplatz da auf ihre Schlipse aufpassen, sonst werden sie ihnen kurzerhand abgeschnitten. Ich als Ruhrgebietskind habe in der Schule die Jungs mit Lippenstift angemalt; ein Highlight des Jahres.
Die Karnevalsumzüge
Die großen Umzüge finden selbstverständlich am Rosenmontag statt, zumindest ohne Corona. Ein Grund für viele Schulen in der Region, den Tag frei zu geben und die Schüler*innen in Karnevalskostümen auf „Kamelle“-Jagd gehen zu lassen. Doch bereits am Sonntag ist in Städten wie Köln und Düsseldorf etwas los: die „Schull- und Veedelszöche“, kleine Züge, die vor allem von Schulen und Vereinen organisiert sind, ziehen durch die Stadt.
Montags sind die Innenstädte dann dicht: Die Wägen sind jedes Jahr neugestaltet und liefern politisch kritische Parodien. Begleitet von Blaskapellen werfen sie ihre Süßigkeiten (Kamelle) in die Menschenmenge. Dabei muss man aufpassen, wo man sich befindet: in Düsseldorf, Aachen und dem Ruhrgebiet wird „Helau“ gerufen, während das in Köln niemand hören will. Dort heißt es nämlich „Kölle Alaaf“. In den Zuschauermassen kommt man sich besonders nah: ob bekannt oder fremd, man schunkelt zusammen und verteilt „Bützen“ – Küsschen. Nicht ohne Grund wurde der Karneval im vergangenen Jahr zum Corona-Spreader-Event.
Begleitet werden die Feierlichkeiten von Büttenreden und Stunk Sitzungen, bei denen jede in der Öffentlichkeit stehende Person ihr Fett wegkriegt, besonders aber die Politiker*innen.
Die Fastnacht in Mainz
Mainz ist eine weitere Hochburg der Fastnacht, wie die Feier im Südwesten Deutschlands, von Rheinland-Pfalz über Hessen, Franken, Schwaben, bis runter in die Schweiz, Österreich und Südtirol genannt wird. Mainz profiliert sich vor allem durch besonders politisch-literarisch geprägte Büttenreden und Karnevalssitzungen. Die berühmte „Mainz bleibt Mainz“- Sitzung mit vielen bekannten Gesichtern unter den Gästen wird jährlich im Fernsehen übertragen. Hier ruft man den Umzugswägen übrigens wie in Düsseldorf „Helau“ zu. Auf den Straßen begegnet man dort den historisch begründeten und militär-parodisch gekleideten „Mainzer Garden“ zwischen den Wägen.
Wirtschaftsfaktor Karneval
Was die Feier vor allem prägt ist der Konsum – von Alkohol. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man montagmorgens um 11 Uhr schon den ersten Betrunkenen begegnen kann. In der Saison 2017/18 waren außerdem rund 6500 Arbeitsplätze allein in Köln vom Karneval abhängig, die Gastronomie macht in der Rheinstadt in den Tagen jährlich über 270 Millionen Euro Umsatz – Tendenz eigentlich steigend. Die Absage der Umzüge macht sich in Zeiten von Corona deutlich bemerkbar: ein riesiger Einnahmefaktor fällt weg. Da nützt es auch nichts, wenn die Jecken im heimischen Wohnzimmer feiern.
Eine ganz andere Tradition: Die Basler Fastnacht
In Basel feiert man anders. Hier beginnt die Fastnacht am Montag nach Aschermittwoch um 4 Uhr morgens und dauert exakt 72 Stunden. In dieser Zeit laufen die Feiernden in Gruppen durch die Straßen, mit aufeinander abgestimmten Kostümen. Wer hier mitmacht, ist bis zur Unkenntlichkeit hinter Kostüm und Maske versteckt. Wer allerdings nur zuguckt, verkleidet sich eher nicht: ein geschminktes Gesicht oder ein buntes Partyhütchen wird in Basel nur ungerne gesehen. Zwar ist der Süßigkeiten Konsum hier auch ein Teil der Fastnacht, der übermäßige Alkoholkonsum jedoch nicht.
Fasching heißt das Fest übrigens vor allem in Bayern, Österreich und Sachsen.
Woher kommt Karneval eigentlich?
Bereits vor 5.000 Jahren gab es in Mesopotamien ein vergleichbares Fest, bei dem gesellschaftliche Schranken aufgehoben und alle als gleich angesehen wurden. Diese Tradition wurde von den antiken Griechen, den Römern und Germanen übernommen, die daraus jeweils eigene Bräuche entwickelten. Zunächst als Unsitte von Christen im Mittelalter angesehen, wurde es wiederaufgenommen und läutet bis heute die Fastenzeit ein, in der früher 40 Tage lang auf Fleisch verzichtet wurde. Dadurch kommt vermutlich auch der Name: aus dem Lateinischen „carne vale“ – Fleisch ade. Die Bezeichnung Fasching rührt wahrscheinlich vom „Fastenschank“, dem letzten Alkoholkonsum vor der Fastenzeit.
Der Karneval wie wir ihn heute kennen entstand 1823 in Köln und wurde nach Ende des Ersten Weltkriegs zu einem immer größeren Fest. Mittlerweile gibt es den Brauch in vielen verschiedenen Ausprägungen – man braucht nur nach Venedig oder Rio de Janeiro zu blicken. Allerdings muss man auch sagen: selbst in Deutschland ist er nicht überall Tradition. Die Geister scheiden sich.
Karneval 2021
Wie so vieles muss also Karneval in diesem Jahr auf den Straßen leider pausieren. Im nächsten Jahr wird es dann hoffentlich wieder bunt, laut und lustig. Ich selbst blicke gerne auf diverse Karnevalspartys während meiner Schulzeit zurück und die gute Laune, die bei den Umzügen herrscht (selbst bei schlechtem Wetter).
Und damit ein lautes „Helau“ und „Alaaf“ in dieser Coronazeit!
Svenja Stolpe