Wenn ich aus meinem Bürofenster am Thielenplatz in die Prinzenstraße schaue, dann sehe ich unten ein Brautmodengeschäft, seit November hat sich im Schaufenster nichts geändert, es wird wohl irgendwann wieder öffnen. Für viele Geschäfte in Hannovers Innenstadt gilt dies leider nicht. Machen wir doch einfach mal einen kleinen Rundgang.
Wir gehen um das „Kaiserhaus“ herum, wie das neue Domizil unserer Agentur auch heißt. Im Erdgeschoss ist das „Paulaner“; ich hoffe ja immer noch, dass ich dort im Sommer öfter sitze und mein Tagesabschlussweizen trinken werde? Gleich um die Ecke in der Theaterstraße der erste Fall: In einer meiner Lieblingskneipen, dem „HeimW“, ist jetzt eine Corona-Schnellteststation. Wird das HeimW je wieder öffnen?
Die Straßen und Gehwege sind leer, nur wenige Besucher tummeln sich in der Innenstadt, die Gesichter hinter den Masken versteckt. Aber mal ehrlich: Wozu auch Window-Shopping? Viele Auslagen der Geschäfte sind leer oder es verstaubt noch die Weihnachtsdekoration.
Auf in die Altstadt
Wir schlendern über den Opernplatz, gegenüber der Oper hat das „Maredo“, ein Steakhaus, geschlossen, es wird nie wieder öffnen; über 30 Jahre war es an diesem Standort. War das wirklich Corona oder konnte dieses etwas biedere Etablissement nicht mehr gegen die hippen Burgerbratereien ankommen, die überall aus dem Boden wachsen?
Wir gehen weiter Richtung Altstadt, das „Green Kathy“ (früher „Tante Käthe“) verspricht irgendwann wieder zu öffnen, ob da was draus wird? Hier haben wir uns oft mit Geschäftsfreunden getroffen, der alte Standort unserer Agentur war nur einen Steinwurf entfernt in der Kramerstraße. Da gehen wir jetzt durch, gleich links sind schon seit über einem Jahr die Scheiben verklebt und ein chinesisches Restaurant verspricht „coming soon“. Und am Ende der Kramerstraße gibt es eine Überraschung, das „Gernots“ ist ausgeräumt. Schade, denn dieses Vintage-Möbelgeschäft war eine echte Bereicherung in der Altstadt.
In der Burgstraße und am Ballhof scheint die Welt noch in Ordnung, aber um die Ecke in der Schmiedestraße sieht es übel aus. Die großflächige Fensterfront von „SFU“, einem Outdoor-Ausstatter, gähnt uns leer entgegen. Könnte sein, dass der neue Standort in der Schillerstraße vielleicht noch besser ist, aber für die Schmiedestraße ist es fatal, denn direkt gegenüber von SFU starren uns die toten Augen von gleich zwei Geschäften an.
Die Schmiedestraße war schon immer ein schwieriges Terrain, dicht am Rotlichtviertel und am Rand der Altstadt, obendrein stark befahren. Zwar plante der grüne Oberbürgermeister die Straße für den Autoverkehr zu sperren und attraktiver zu gestalten, aber bisher bremste der Rat der Stadt ihn aus. Diese unsichere Situation ist sicher kein Turbo für Neuansiedlungen und neue Konzepte.
Durch die Fugängerzone
Am Ende der Schmiedestraße wenden wir uns nach rechts in die Georgstraße. Dort am Schillerdenkmal steht die gigantische Fläche des ehemaligen Karstadt-Gebäudes leer, unter den Kollonaden lagern Obdachlose, denn hier ist es wenigstens trocken. Karstadt-Kaufhof hat drei weitere Häuser in der Stadt, dieses im Herzen der Fußgängerzone wurde aufgegeben.
Eigentlich würden wir jetzt durch die Niki de Saint Phalle-Promenade gehen, das ist die U1-Ebene vom Kröpke unter dem Bahnhof durch zum Raschplatz. Dort gibt es viele zugeklebte Schaufenster. Aber wir lasen gerade in der Heimatzeitung, dass alle diese Räume bereits weiter vermietet wurden und die neuen Besitzer augenscheinlich nur mit den Umbauten warten, bis sie Sicherheit bezüglich des Lockdowns haben. Also wenden wir uns Richtung Lister Meile, da gibt es nämlich ausnahmsweise etwas Positives zu berichten.
Bars und Restaurants zu Schaufenstern
Kneipen, Restaurants und Cafés sind geschlossen, warum sollen die teilweise großen Schaufenster leer bleiben? Das fragten sich hannoversche Modedesigner und kamen auf eine Idee. Sie stellen während des Lockdowns dort aus. Wir finden im Café Kreipe am Beginn der Lister Meile zum Beispiel die Labels „Notmadeinkina“ und „Dörpwicht“. Und ein Stück weiter im Restaurant Marie am Wedekindplatz „June und Juno“ und „Roderbruch“. Das zieht sich übrigens durch alle Stadtteile: Auf der Projektseite fashionborninhannover.de gibt es eine Karte mit den teilnehmenden Gastronomiebetrieben und den Modelabels.
Ist die Luise noch zu retten?
Am Ende unseres Rundganges betreten wir die Galerie Luise. Es ist ein Trauerspiel, mehr als die Hälfte der Fläche steht leer. Das war auch schon vor Corona so, das Virus scheint jetzt dieser Passage den Garaus zu machen. Aber: Mitten drin hat die Galerie „Junges Temporär“ eröffnet. Eigentlich ist das eine Online-Galerie, die jetzt einen Ableger im echten Leben hat. Zwei Studenten haben die Online-Galerie gegründet, knapp 200 Werke von Hobbykünstlern werden dort ausgestellt. Klar, die Qualität ist sehr unterschiedlich, aber das Projekt ist interessant. Und in der Galerie Luise kann man Werke, die einem gefallen haben, dann live besichtigen; einfach einen Termin vereinbaren! Während wir uns die Nasen an der Schaufensterscheibe platt drücken, hören wir von links Hämmern und von hinten Geschirr klappern. Es tut sich nämlich noch mehr in der Luise: Das Restaurant „Titus“ zieht in die ehemaligen Räumlichkeiten des „Röhrbein“ und in den ehemaligen Räumen des „Tondemus“ (Frisör, jetzt in der Rathenaustraße) wird ein Damen- und Herrenbekleidungsgeschäft aufgebaut.
Jetzt muss nur noch der Lockdown nachlassen.
Thorsten Windus-Dörr