Spätestens seit der Klimabewegung Fridays for Future sind es vor allem die jungen Menschen, die als Aktivistinnen und Aktivisten für die Rettung des Klimas in den Medien auftreten. Eine Studie der Europäischen Investitionsbank (EIB) wollte nun wissen, mit wie viel Rückhalt der Bevölkerung sie beim Klimaschutz eigentlich rechnen kann. Die Ergebnisse zeichnen ein unerwartetes Bild: Nur 15 Prozent der Befragten in Deutschland sind laut den Ergebnissen dazu bereit, ihr Verhalten zur Bekämpfung des Klimawandels radikal zu verändern. Auffällig dabei war, dass es gerade die jüngeren Altersgruppen sind, die eine geringere Bereitschaft zum Verzicht zeigen und es eher die Älteren sind, die eine höhere Akzeptanz gegenüber Verboten aufweisen.
Wir befragen zwei junge Studentinnen, die sich dazu Gedanken gemacht haben:
Fridays-for-Future ist seit Jahren in aller Munde – Das Bewusstsein für das Thema scheint in der jüngeren Generation so präsent zu sein wie in keiner anderen. Wie erklären Sie sich die Ergebnisse der Studie der EIB, nachdem eher die älteren Befragten aufgeschlossener gegenüber Verzicht zur Eindämmung des Klimawandels sind als die Jüngeren?
A: Der Kampf gegen den Klimawandel ist ja keine alleinige Aufgabe der jüngeren Generation, von daher freut es mich, dass das Bewusstsein auch bei den Älteren vorhanden ist. Allerdings bedeutet das nicht gleich, dass das Engagement der Jüngeren nur Schein ist.
B: Genau, ich finde, hier muss man die Studie etwas genauer lesen. In vielen Fragen sind zwar tatsächlich weniger jüngere Personen drastischen Verboten gegenüber offen als die Älteren, dafür befürworten sie im Gegensatz zu den Älteren mehr “weichere” Maßnahmen. Das sind man zum Beispiel in Bezug auf das Einschränken des öffentlichen Raums für Autofahrer in Städten (16 Prozent > 9 Prozent) oder eine Carbonsteuer für nicht-nachhaltige Produkte (27 Prozent > 19 Prozent).
In der Studie steht außerdem, dass nur 37 Prozent der Menschen in Deutschland unter 30 Jahren meinen, dass Produkte nicht mehr produziert werden sollten, wenn sie sich nicht reparieren lassen. Dahingegen stimmen 61 Prozent der Menschen über 65 dieser Position zu. Wäre Recycling nicht die Lösung?
A: Recycling bezeichnet hier nichts anderes als das Konzept “cradle-to-cradle”, was im Grunde eine durchgängige Kreislaufwirtschaft meint. Rohstoffe und Energie, die aus der Natur entnommen werden, sollen (z.B. durch Recycling) wieder zurückgegeben und so schließlich erneut verwendet werden. Dabei handelt es sich um die Vision einer abfallfreien Wirtschaft: Alle Stoffe bleiben dauerhaft Nähr- oder Rohstoffe für natürliche oder geschlossene Kreisläufe. Konkret sind das z.B.: Kompostierbare Textilien, essbare Verpackungen, reine Kunststoffe oder Metalle, die unendlich oft für denselben Zweck verwendet werden können – so soll die Zukunft aussehen.
B: Das Konzept stammt übrigens vom deutschen Chemieprofessor, Verfahrenstechniker und Ökovisionär Michael Braungart und dem US-Architekt William McDonough.
Könnte das die Lösung für all unsere Probleme darstellen?
A: Ich denke, die eine Lösung gibt es nicht. Wir brauchen eine Vielzahl an Vorschlägen und Maßnahmen, mit denen wir gegen den Klimawandel vorgehen können, und die von der Breite der Gesellschaft akzeptiert werden. Die Lösung für Privatpersonen sieht sicherlich anders aus als die Lösung für große Wirtschaftsunternehmen. Das cradle-to-cradle Prinzip ist aber ein sehr guter Ansatz, der vor allem für Unternehmen interessant ist: Wie können wir Produkte konzipieren, die keinen Müll verursachen und wiederverwendbar sind? Wenn es eine alleinige Lösung für unser Problem gibt, dann ist es der Zusammenhalt im Kampf gegen den Klimawandel – alleine wird das niemand tun können.
B: Es geht in die richtige Richtung. So ein Konzept muss allerdings global gedacht werden und auf alle Bereiche wie Infrastruktur, Energiewirtschaft, Landwirtschaft usw. ausgeweitet werden. Und es muss anwendungsfähig werden. Bisher greifen leider nur die wenigsten Firmen auf dieses oder ein ähnliches Konzept zurück – und das oft unvollständig. Gerade in der Herstellung von Kleidung fällt mir häufig auf, dass mit nachhaltigen Materialien geworben wird. Es fehlen aber Konzepte für das Entsorgen bzw. Recycling genau dieser Kleidungsstücke.
Sie sprechen gerade an, dass Unternehmen mit nachhaltigen Produkten locken. In den sozialen Medien nehmen solche Werbeversprechen ebenfalls zu. Was ist Nachhaltigkeit denn nun: Ein Trend oder ein Lebensstil?
A: Es gibt sicherlich Menschen, die einen nachhaltigen Lebensstil praktizieren, allerdings trifft das nicht auf die Breite der Gesellschaft zu. Nachhaltig sein ist momentan einfach in. Aber selbst ein Trend bringt die Leute ja trotzdem zum Nachdenken und dazu, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Somit kann ein Trend für viele als Einstieg für eine nachhaltige Veränderung im Alltag dienen.
B: Das stimmt, allerdings hat der Trend auch seine Schattenseiten. Gerade bei den Kosmetik- oder Kleiderlabels wird viel Greenwashing betrieben. Da wird mit dem Label “nachhaltig produziert” oder “recyclebar” geworben, obwohl nur Teile der Produkte diesem Standard entsprechen. Auch ist häufig unklar, wie genau der Recyclingprozess denn ablaufen soll. Da gehört ja auch noch viel mehr dazu als nur die Frage, welche Produkte man kauft. Wenn am Ende die nachhaltig produzierte Kleidung im selben Mülleimer wie der sonstige Müll landet, ist der Rohstoff für den Kreislauf trotzdem “verloren”. Hier kann der Trend gefährlich werden, wenn man die eigene Kaufentscheidung und anschließendes Verhalten nicht hinterfragt. So kann der gut gemeinte Konsum der Umwelt mehr schaden als nützen.
Wie sehr stellen Sie denn in ihrem Lebensalltag die Auseinandersetzung mit nachhaltigen Themen fest?
A: Ich habe einen recht umweltbewussten Freundeskreis, somit ist das Thema häufig Gesprächsgegenstand. Natürlich bedeutet das aber nicht gleich auch eine insgesamt nachhaltige Lebensweise. Dennoch merke ich, dass viele Menschen in meinem Umfeld beispielsweise auf unnötige Verpackungen und Autofahrten verzichten oder bevorzugt auf Secondhandware setzen. Foodsharing ist ebenfalls ein Angebot, das sich immer mehr ausbreitet. Gleichzeitig wird aber häufig trotzdem das billige T-Shirt von H&M gekauft – alles verbieten lassen möchte man sich dann vermutlich doch nicht. An den Universitäten wird das Bewusstsein meines Erachtens nach grundsätzlich gestärkt – es gibt beispielsweise ein Green Office und fleischlose Menüs in der Mensa.
B: Die Auseinandersetzung mit dem Thema in meinem Umfeld ist auf jeden Fall da. Gerade in Bezug auf die Ernährungsweise habe ich in den letzten Jahren dabei den größten Wandel festgestellt. Viele ernähren sich mittlerweile bewusst vegetarisch oder vegan. Trotzdem wird oft auch zu nicht-saisonalem, importiertem und wasseraufwändigem Obst und Gemüse gegriffen. Die größten Unstimmigkeiten im Verhalten stelle ich aber beim Shopping-Verhalten und den Urlaubszielen fest, es wird gerne und viel im Internet bestellt und für den Wochenendausflug darf es dann auch gerne mal der Kurzstreckenflug nach Italien sein.
Also wird häufig eine Doppelmoral gelebt?
A: Bestimmt. Niemand fühlt sich allein verantwortlich für die Lösung des Problems und sieht so auch die Pflicht einerseits bei den Mitmenschen und andererseits bei Staat und Wirtschaft – was ja an sich auch nicht falsch ist. Ich denke, vielen Leuten sind aber die Folgen des eigenen Handelns nicht richtig bewusst. Mit jeder Entscheidung, die wir treffen, können wir einen Unterschied machen. Sicherlich ist aber nicht jede Person, die sich für Umweltschutz ausspricht, auch konsequent in den eigenen Handlungen. Vielleicht fehlen da auch die Anreize aus der Wirtschaft: Je mehr nachhaltige Produkte und Alternativen es gibt, desto mehr wird auch danach gegriffen.
B: Ja. Es ist falsch, die gesamte Verantwortung für einen nachhaltigen Lebensstil an den einzelnen Bürger abzugeben. Eine Individualisierung des Problems kann nicht die Lösung sein. Vielmehr müssen auch staatliche Regularien getroffen werden.
Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit scheint vorhanden zu sein. Wenn die meisten auch wissen, was man für die Umwelt tun könnte, warum passiert dann so wenig?
A: Auf der einen Seite sind sicherlich die Gewohnheiten daran schuld. Wir machen die Dinge am liebsten so, wie wir sie immer gemacht haben und haben vielleicht auch unsere Lieblingsmarken und -produkte, die wir kaufen, ohne darüber nachzudenken, oder auf die wir bewusst nicht verzichten wollen. Dasselbe gilt für Flugreisen: Wir haben die Möglichkeit, tolle Orte zu bereisen und es wird mit immer günstigeren Preisen geworben. Die Konsequenzen unseres Handelns sind dabei leider nicht unmittelbar spürbar.
B: Ja, da kann ich nur zustimmen. Gerade die Frage des Verzichts trifft jüngere Generationen an einer kritischen Stelle. In den sozialen Netzwerken wird ein Hochglanzabbild des modernen Lifestyles vorgelebt: Fernreisen, ausschweifender Konsum und irrwitzige Ernährungsstile. Gerade die jüngeren Menschen vergleichen ihren eigenen Lebensstil schnell mit solchen Vorbildern und eifern ihnen nach. Außerdem wird die Schuldfrage für die momentane Klimakrise gerne auf die früheren Generationen abgewälzt und es wird ausgeblendet, dass auch das eigene Verhalten zu einer Verschärfung der Situation beiträgt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
A: Dass die Klimakrise auch als solche wahrgenommen, und dementsprechend von Politik und Wirtschaft ernst genommen und angegangen wird. Die Verantwortung für unsere Umwelt liegt eben bei uns allen und dessen sollten sich auch alle bewusst werden. Ich wünsche mir, dass das negativ behaftete Klischee vom “Öko” aufgebrochen wird und sich der Nachhaltigkeitstrend in eine wirklich nachhaltige Lebensweise entwickelt.
B: Mehr handeln, weniger reden. Denn am Ende zählen nur unsere Taten.
Das Interview führten Svenja Stolpe und Anna Spielvogel
Weiterführende Links
Hier gehts zur Studie der EIB
Hier geht’s zum Lexikon-Artikel über cradle-to-cradle
Hier geht es zu einer Website, die eine Liste von Cradle-to-Cradle Produkten zusammengestellt hat (Englisch)