„Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“
(Albert Camus)
Kein Satz des Literaturnobel-Preisträgers Albert Camus wird so häufig zitiert wie dieser (das hält uns aber nicht davon ab, ihn hier auch noch mal zu zitieren). Man findet ihn in der Sammlung autobiographischer Essays mit dem Titel „Heimkehr nach Tipasa“. Dieser Band ist eine Sammlung von acht Essays, die Camus nach seiner Pariser Zeit in seinem Heimatland Algerien geschrieben hat. Die meiste Zeit seines viel zu kurzen Lebens hat Camus in seiner algerischen Heimat verbracht. Der Band „Heimkehr nach Tipasa“ ist im französischen Original im Jahre 1953 erschienen, drei Jahre vor der Verleihung des Literaturnobelpreises und sechs Jahre vor dem viel zu frühen Tod des Schriftstellers mit 46 Jahren durch einen Autounfall.
In den letzten Jahren ist bemerkenswert, dass der Satz über den „unbesiegbaren Sommer“ besonders häufig in Büchern und Aufsätzen zur Resilienz zitiert wird. Der Begiff „Resilienz“ beschreibt seelische Widerstandskraft und wird besonders im Zusammenhang mit der Bewältigung von Schicksalsschlägen und (Lebens)Krisen gebraucht.
Und damit sind wir beim Thema.
Was ist eigentlich eine Krise?
Bekannt dürfte sein, dass mit Krise eine problematische und mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation bezeichnet wird. Das Wort geht zurück auf das griechische Wort „krisis“, das Wendepunkt bedeutet. Die chinesischen Schriftzeichen für Krise setzen sich aus den Symbolen für „Gefahr“ und „gute Gelegenheit“ zusammen.
Daher kommt dann auch der zum Klischee verkommene Satz, dass jeder Krise eine Chance innewohne.
Eine Krise im psychosozialen Sinn besteht im Verlust des seelischen Gleichgewichts, wenn ein Mensch mit Ereignissen oder Lebensumständen konfrontiert wird, die er (im Augenblick) nicht bewältigen kann. Ein unvorhersehbares Ereignis kann uns aus der Bahn werfen und die Lebensumstände verändern. Die Auslöser dafür sind vielfältig, sie reichen von Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen bis hin zu persönlichen Verlusten oder Krieg. Psychologisch gesehen setzen uns Krisen akut unter Stress, da wir das Gefühl haben, die Kontrolle über die innere oder äußere Situation verloren zu haben.
Fragt man Philosophen, dann gibt es weitere Antworten
Eine Krise unterscheidet sich von einem Problem dadurch, dass es keine elegante Lösung gibt, sondern nur schmerzhafte. Eine Krise kann man nicht abwarten, man muss entscheiden, was auch immer. Und: Nach einer Krise ist oft vieles anders als vorher. Außerdem sagen viele, dass sich in einer Krise das wahre Gesicht eines Menschen zeigt; und was er taugt.
Mehr dazu?
Gucken wir uns mal an, was das bezogen auf die Coronakrise heißt, denn die haben wir alle mitbekommen:
Entscheiden
Unsere Politik hatte die Wahl, entweder eine Gesundheitskrise oder eine Wirtschaftskrise in Kauf zu nehmen. Man hat sich zuerst für den Schutz des Lebens entschieden. Das ging auf Kosten der Freiheit und der Wirtschaft.
Jetzt ist die Gesundheitskrise zumindest fürs erste abgewendet und die Politik wendet sich wieder den anderen Dingen zu. Wir werden sehen, ob das klug war.
In Schweden hat man anders reagiert. Man hat gesundheitliche Schäden und verhältnismäßig viele Tote (gemessen an der schwedischen Bevölkerung) in Kauf genommen, zugunsten der Wirtschaft. Auch dort wird man erst später entscheiden können, ob das richtig war.
Abwarten
Viele sagen, die Bundesregierung habe zu lange abgewartet, aber das Ergebnis widerspricht dem. Was zu langes Zögern bewirkt, das sieht man in den USA.
Was ändert sich?
Auf halber Strecke der Krise… denn noch ist sie nicht zu Ende! … können wir nur spekulieren:
Umarmungen und Händeschütteln wird es wohl vorerst nicht mehr geben. Abstand werden wir halten und Spuckmasken tragen. Mit den Arbeitgebern wird man über Homeoffice verhandeln. Viele Geschäftsreisen werden Skype- und Zoomkonferenzen weichen. Ob die Menschen wirklich über ihr Konsumverhalten nachdenken, oder ob gleich der neue Maserati-SUV geordert und die nächste Kreuzfahrt gebucht wird? Auch das wird sich zeigen.
Das wahre Gesicht
Da sind wir Deutschen eigentlich gut bei weggekommen, die meisten waren bisher ziemlich diszipliniert. Einige haben widersprochen und protestiert. Aber das ist eben Demokratie. Und wir haben unsere Verschwörungstheoretiker, Politiker, Sänger, Youtuber. Und viele von uns haben diesen entfernten Bekannten um vier Ecken, den das alles nicht schert und der neulich eine Gartenparty mit 20 Personen abhielt, von Abstand keine Rede. Und wir kennen Leute, die das alles lächerlich finden, weil sie ja einen höheren Erkenntnisstand haben. Hoffen wir, dass es nicht zu viele dieser Fratzen sind.
Und an dieser Stelle meldet sich unsere Abteilung Issues Management in der Agentur zu Wort und rät: Es wäre gut, wenn die Politik sich auf die zweite Welle vorbereiten würde und sich nicht zurücklehnt und die Raute macht. Denn die zweite Welle kommt, spätestens im Herbst, wenn das Wetter wieder kühler wird. Die Frage ist nur, wie stark sie wird und wie gut wir darauf vorbereitet sein werden.
Also: Auf das ständige Hoch- und Runterfahren der Schutzmaßnahmen vorbereiten – selbst nicht nachlässig werden. Und auf den unbesiegbaren Sommer hoffen, der in uns wohnt.
Thorsten Windus-Dörr
Mehr zum Thema Krisen- und Issues-Management.
(Krisenkommunikation und Issues Management sind Beratungsschwerpunkte unserer Agentur. Auf das Camus-Zitat stieß Geschäftsführer Windus-Dörr aber, als er einen Artikel über „Seuchen-Romane“ für eine Zeitschrift schrieb.)